Jelly is Sticky on Steam
Ju Aichinger
Theresa Röthe
Theresa Weber
Jenny Schäfer
Ada Hillebrecht
2022 | Galerie Mitte Bremen.
Photo: Lukas Klose.
Immer wieder begegnen uns Gegenstände, die uns zu nahe kommen, uns berühren. Häufig sind sie besonders cute, also niedlich oder beinahe schmierig. Aufgrund der Nähe und Intimität, die sie suggerieren, wirken sie zugleich unheimlich. Wie sehen solche Objekte aus, welche Form haben sie? Sigmund Freud begreift das Unheimliche als eine Hybridität des Vertrauten und Unbekannten. Für ihn ist das Unheimliche eine verstörende Irritation in alltäglichen Situationen: Sie ruft einen Zustand der Ver-un-sicherung hervor, bringt ein Bild ins Wanken. Das Unheimliche hat also wesentlich mit Wahrnehmung zu tun. Eine Ästhetik des Unheimlichen zeichnet sich durch grosteske Erscheinungsformen aus, die komisch und bedrohlich, vertraut und fremd, erotisch und abstoßend, niedlich und düster zugleich wirken. Die Etymologie des Worts unterstützt diese Lesart: Unheimlich entwickelte sich als Gegenteil des germanischen Worts heim, das Haus, Wohnort oder Heimat bedeutet und etwas bezeichnet, das zum Haus zugehörig, also vertraut ist. Auch das Unheimlich suggeriert diese Intimität und Nähe, indem Wahrnehmende – also: Betrachter*innen – meinen, etwas vertrautes – also: sich – in einem Gegenüber oder einem Ding wiederzuerkennen. Freud greift bei der Wahl eines Beispiels deshalb zur Puppe: Als menschliches Ebenbild ist die Puppe niedlich, doch sie verstört durch ihre Unbelebtheit. Das Unheimlich und das Niedliche sind eng miteinander verwandt. Eine Ästhetik der Niedlichkeit zeichnet sich ebenfalls durch eine Heimlichkeit im Unheimlichen, Vertrautheit im Unvertrauten aus. Traditionell hängt sie eng mit dem Konzept des Girl zusammen und wird häufig mit Schwäche, Infantilisierung und Objektifizierung assoziiert. Cuteness scheint vor allem in Zeiten von Social Media Ausdruck einer spätkapitalistischen Kommunikationsform zu sein: pastellene Filter, Herzchen, Memes, Emojis, Katzenvideos. Im Blick der süßen Kreatur offenbart sich unser Blick auf die eigene Kommodifizierung. Im Kapital nutzt Karl Marx den Begriff Gallert – eine durchsichtige, steife und doch bewegliche geleeartige Masse aus tierischen Resten – als Metapher für die Transformation konkreter Arbeit in abstrakte Arbeit. Eine klebrige Körperlichkeit, die sich zwischen fester und fluider Form bewegt und schwerlich zu fassen ist. Materialtät ist also ein zentrales Element in Konzepten des Unheimlichen und der Niedlichkeit. Solch abstrakte Spuren von (queerer) Körperlichkeit, die sich zwischen traditionellen Kategorien bewegt, finden sich in allen Arbeiten dieser Ausstellung wieder: Ein Vorhang, dessen einzelne Elemente die Abdrücke eines Handschlags darstellen, schmiegt sich um eine Säule. Er modelliert den Ausstellungsraum als Wohnraum, als shelter: ein Rückzugsort und Schutzraum. In diesem heimeligen Raum sind niedliche Objekte zu finden: Tassen, Kannen oder Plastiknägel zwischen Glitzersteinchen, Keramik, Vanilleduft und bunten Puppen. Nicht zuletzt zitieren sie uns vertraute Funktionen und Gebrauchsgegenstände. Doch es bleibt unklar, ob sie als solche zu nutzen sind. Sie verharren in einem stetigen Dazwischen-Sein.
Curated by Rebekka Kronsteiner, Mira Anneli Naß & Francisco Valenca Vaz