top of page

MMS OFFSPACE

Multimedia Messaging Service

2020, Bremen.

Invited Artists

Christian Kölbl

Nora Olearius

Hannah Wolf

Sarah Lüdemann (Beauham)

Teresa Zwerschke

Barbara Proschak

Irene Strese

Elina Saalfeld

Sebastian Moske

Josef Hatikov

Edson Collong Aguirre

Fabian Sokolowski

Max Brück

Timofej Kratz

Johannes Listewnik

Johannes Fuchs

Moritz Jacob Danner

Aria Farajnezhad

Hassan Sheidaei

Yvon Chabrowski

Shroom Shoop! mit Saskia Senge & Gesa Troch

mit

Marvin Molses Almaraz Dosal

Nicl Barbro

Elisa Barrera

Vicente Hirmas

Laura Ziegler

Rosanna Graf u. Laura Franzmann 

Saray Purto Hoffman u. Vicente Hest  

Karoline Banke 

Phillip Joy Reinhardt 

 

Cooperations with

Tanja Möwis Keramik
Galerie K'
Galerie Mitte Bremen

ZwischenZeitZentrale Bremen

Nils Scheidhauer

Text Contributions

Ingmar Lähnemann

Ele Hermel

Sarah Maria Kaiser

Mira Anneli Naß

Anne Storm

Miriam Bartosch

Paulina Seyfried

Radek Krolczyk

Emma Wilson

Tobias Heine

 

Photographs by

Manja Herrmann

Caspar Sessler

Lukas Klose

Rahel Pasztor

Björn Behrens

Ricardo Nunes

Ana Rodriguez

Design

Friederike Lauschke

Lilith Paluch

Made possible by

Karin und Uwe Hollweg Stiftung

Waldemar Koch Stiftung

Der Senator für Kultur Bremen

Freundeskreis der Hochschule für Künste Bremen e.V.

Studierendenwerk Bremen

AsTA HFK Bremen
Hochschule für Künste Bremen

Curated by

Rebekka Kronsteiner

Francisco Valenca Vaz 

Die Benennung „MMS“ bietet viele Andockpunkte für die Deutung dieses Ausstellungsprojekts, an dem innerhalb eines Jahres insgesamt 23 Künstler*innen im Rahmen von neun Ausstellungen beteiligt waren. 

Die Abkürzung steht für "Multimedia Messaging Services" und bezeichnet ein System der Datenübertragung, über das Multimedia-Inhalte (üblicherweise Bilddateien) zwischen Mobiltelefonen oder an E-Mail-Adressen versendet werden können. MMS ist demzufolge sowohl ein Dienst zwischen Personen als auch zwischen Anwendungen als technischer Mittler. Diese hybride Konstellation aus Mensch und Technologie beschränkt sich also nicht auf das bloße Bedienen der Mobilfunkgeräte von Menschenhand, sondern umfasst auch eine entsprechende automatisierte Infrastruktur, die in einem Multimedia Messaging Center über unendlich reichende Server-Schränke und Kabelbündel digitale Informationen speichert und den schnellen und unsichtbaren Versand der MMS sicherstellt.

Die Auslagerung von Handlungsoptionen an nicht menschliche Akteure und das daraus resultierende Spannungsfeld medialer Veränderung und Kommunikationsprozesse tangiert grundsätzlich auch die gegenwärtige Verortung künstlerischer Arbeitsweisen und Betrachtungsmöglichkeiten. Die klassischen Sender-Empfänger-Modelle Kunstwerk-Betracher*in  oder Künstler*in-Betrachter*in sind längst überholt und um Modelle erweitert worden, die horizontaler und dialogischer sind. Kunst als Kommunikationsform lebt sowohl von dem Dialog zwischen Sendern und Empfängern als auch von der Auseinandersetzung mit ihren Inhalten. Es handelt sich nicht bloß um ein System des Datentransfers, sondern um Kommunikation, bei der komplexe (De-)codierungs- und Antwortverhältnisse am Werk sind. So wie die MMS Informationen in eine Sprache aus Nullen und Einsen übersetzt, agiert auch Kunst in Codes: es werden Botschaften produziert, die außerhalb des alltäglichen Sprachgebrauchs angesiedelt sind und auf Grundlage geteilter Bedeutungen decodiert werden. Zwischen Werk und Betrachter*in herrscht also keine einseitige Datenübertragung, sondern ein Wechselverhältnis des gegenseitigen Blickens und Angeblicktwerdens. Die Künstler*innen nutzen zwar den Ausstellungsraum, um mit den Betrachter*innen in Austausch und Kontakt über die ausgestellten Multimedia-Inhalte zu treten, doch auch der Raum selbst sendet aktive und passive Signale, der die Künstler*innen im Kontext der Produktions- und Planungsphase in ein Antwortverhältnis zum Raum stellt; gleichermaßen die Betrachter*innen während der Rezeptionssituation. Und dies vermutlich in hohem Maße, denn der MMS-Raum zeichnet sich durch seine auffällige nicht-Neutralität aus, die sich vor allem in seinen charakteristischen Wänden manifestiert und sichtbare Spuren seit seiner Erbauung im Jahr 1875 in sich trägt.

Nun ist die MMS allerdings kein allzu beliebtes Medium. Besonders im Vergleich zur SMS wurden die MMS schon immer seltener verschickt, was sicherlich mit vergleichsweise hohen Preisen zu begründen ist. Zusätzliche Messengerdienste wie Whatsapp und Co., über die der Datenversand bei bestehender Internetverbindung kostenlos ist, machen die MMS heutzutage umso uninteressanter oder gar obsolet. Warum entscheidet sich eine Offspace-Galerie für diese antiquierte Form der Kommunikation als Namensgeberin? Ist es hippe 90er Jahre Nostalgie oder gar ein ironischer Seitenhieb an etablierte und manchmal verstaubte Kunstinstitutionen? Ein verzweifelter Hilfeschrei, Kunst und ihre unterfinanzierten Institutionen zu erhalten? Gut möglich, aber vielleicht ist es auch einfach eine unglücklich gewählte Benennung, die das eigene Ausstellungsprojekt als vergessene und ausgesonderte Form der Kommunikation entlarvt.

Doch die Thematisierung einer vorherigen Schicht medialer Entwicklung ist auch ein produktiver Ansatz um an aktuellen Diskursen anzuknüpfen. In Anbetracht der Covid-19 Pandemie mussten zahlreiche Projekte aus Kunst und Kultur auf den digitalen Raum ausweichen, virtuelle Ausstellungsrundgänge und Veranstaltungen wurden zum Standard. Nähe- und Distanzverhältnisse, direkter physischer Kontakt und digitale Interaktion traten damit in ein neues Spannungs- und Kräfteverhältnis. Die Benennung des Ausstellungsprojekts MMS scheint vor diesem Hintergrund fast eine selbsterfüllende Prophezeiung zu sein. Die Namenswahl geschah zwar nichtsahnend der Einschränkungen, die Covid-19 mit sich bringen würde, thematisiert jedoch treffend schon vorhandene digitale Kommunikationssysteme, die während dieses Jahres so massiv an Bedeutung gewannen. Auch das Zustandekommen des Projekts MMS selbst war geprägt durch diese Kanäle. Die Künstler*innen traten zuerst über digitale Portfolios in Kontakt mit den Organisator*innen und auch die anschließende Ausstellungskonzeption sowie die Kommunikation untereinander verliefen ausschließlich über digitale Systeme. In diesem Sinne wäre sogar eine coronabedingte Übertragung der Ausstellungen in den virtuellen Raum stimmig gewesen, wie es so viele Projekte getan haben. Wie eine MMS hätten die Ausstellungsteile digital erfahrbar gemacht und verschickt werden können. Doch letztendlich wurde kein intermediales Webprojekt inszeniert, sondern stattdessen je nach Infektionsgeschehen entschieden, ob die Ausstellungen frei zugänglich oder in eingeschränktem Rahmen zu besuchen waren. In einigen Ausstellungen und Werken wurde diese Eventualität künstlerisch mitgedacht.

Hintergrund für diese Entscheidung ist sicherlich die Tatsache, dass sich eine Ausstellungserfahrung in ihrer unmittelbaren Subjektivität und Körperlichkeit nicht in ein zweidimensionales oder digitales Format übertragen lässt. Damit verweist die Offspace-Galerie auf die Relevanz physischer Unmittelbarkeit: Orte, Erfahrungen und Fakten – Alles Dinge, die gerade zu Zeiten von Covid und Fake News wieder ins Bewusstsein dringen. Ähnlich verhält es sich mit diesem Katalog. Es gibt einen unüberwindbaren Unterschied zwischen der dynamischen Erinnerung an einen Ausstellungsbesuch und deren technischer und mechanischer Speicherung. Deshalb werden in diesem Katalog zwar die einzelnen Ausstellungspositionen zusammengebracht und somit ein Gesamteindruck des Ausstellungsprojekts gerahmt, allerdings besteht kein unerfüllbarer Anspruch einer vollständigen Archivierung. Der Katalog dient als Plattform dafür, kuratorische Prozesse zu thematisieren sowie den teilnehmenden Künstler*innen zusätzlichen Raum für die (Re-)Kontextualisierung ihrer Arbeiten zu geben. Sinnbildlich dafür sind im Innenteil des Katalogs Fotografien von scheinbar banalen Gegenständen abgebildet, die bei dem Aufbau des Projekts wichtig waren. Die Traditionen des Mediums werden also im Sinne eines Kommunikationsprozesses genutzt, um den Dialog über das Ausstellungsprojekt zu erweitern und auch hinter die Kulissen zu blicken. Ironischerweise steht diese Rückbesinnung auf eine klassische Printpublikation nicht im Widerspruch zum digitalen Potential des Projekttitels, denn die Entscheidung für eine Printpublikation nimmt Eigenschaften in Kauf, die wie eine MMS im Grunde genommen überholt erscheinen. Eine Webversion des Katalogs hätte klassische Printprobleme wie hohe Kosten für Druck und Distribution, eingeschränkte Reichweite sowie Zersetzungs- und Verbrauchserscheinungen lösen können. Wie das Senden einer MMS scheint der Druck eines Katalogs somit eigentlich nicht mehr erforderlich, denn eine vollständige, digitale Version des Katalogs ist bereits vorhanden, schließlich musste diese zuerst existieren, um den Katalog überhaupt drucken zu lassen. Diese Wechselbeziehung imitiert das Cover des Katalogs durch die Fotografie seines eingepackten und geöffneten Zwischenzustandes, das auf die analogen und digitalen Möglichkeitsformate seiner selbst verweist. 

Die Entscheidung für ein so sperriges Katalogformat stellt sich somit entgegen die omnipräsente Bilderflut und des Überangebots der digitalen Welt und  bedient die romantisierte Idee einer intendierten Nutzung desselben. Nach einem solch unbeständigen Jahr wie diesem, ist ein solider Multimedia-Inhalt wie dieser Katalog vielleicht ein willkommenes Erinnerungsstück.

bottom of page